„Textil ist in der Wahrnehmung der Mehrheit immer noch ein ‚weibliches‘ und feministisches – immer öfter auch queeres Medium…“
Altersgruppe
25-35
Wie bist Du zur Kunst gekommen?
Sie war eigentlich immer eine Option für mein Selbstkonzept, von der Kindheit an bis heute hat sich daran noch nichts geändert. Die Auseinandersetzung im Studium mit der global verketteten Textilbranche, insbesondere der Fast Fashion -Branche, hat mich bestärkt, den künstlerischen und freieren Umgang mit dem Medium Textil zu verfolgen.
Welchem Themenfeld der Ausstellung fühlst Du Dich mit deinen Arbeiten am ehesten zugehörig?
Tatsächlich sind es beide Themen gemischt, die wiederum für mich in eine politische Fragen münden: - Zwischen den Stühlen: Kunst oder Kunsthandwerk? Ich nutze hauptsächlich zur Zeit die Weberei als Technik, bin aber keine Handweberin, verfüge aber über fundiertes handwerkliches Können. Von Außen wird aber mein Werk und Schaffen beurteilt und landet der "Einfachheit" wegen, oft in der Sparte Kunsthandwerk, die ich aber nicht für mich fühle. Diese Beurteilung verunsichert und hält mich auch auf. - Sichtbarmachung von Diskriminierungsmechanismen im Kunstbetrieb Das Textil wird als Medium benutzt von einer (mir) weiblichen Künstlerin, die es schwer hat, Sichtbarkeit zu bekommen und in den Galeriekontext zu kommen, ist auch eine Herausforderung. Der Sparte Textilkunst, haftet etwas an, was Galerist:innen nur zu gern wie ein Stiefkind behandeln, es ist der Elefant im Porzellanhaus im etablierten Galerie- und Kunstbusiness. Ich habe oft das Gefühl, dass der Abschluss “Textildesignerin” und künstlerisches Schaffen weniger Wert oder relevant ist, als z.B. die berufliche Biografie “Produktdesigner/ Fotograf/ Architekt” in Kombination mit künstlerischen Schaffen. Textil ist in der Wahrnehmung der Mehrheit immer noch ein “weibliches” und feministisches - immer öfter auch queeres Medium - und an “weiblich” hängen viele historische Stereotypen und Überzeugungen zusammen, an die immer noch geglaubt wird.
Warum hast Du Dich auf „Imagine Transparency" beworben?
Weil ich mich durch den Ausschreibungstext angesprochen gefühlt habe und direkt Vertrauen gewonnen habe, dass es endlich den Platz gibt, das Thema “ Zwischen den Stühlen” offen thematisieren zu können. Dass dieses “zwischen den Stühlen stehen” eine ordentliche Portion Anstrengung (für mich) bedeutet und mir eigentlich nach dem einfachen künstlerischen “Sein und einfach Machen” ist, wie z.B. ein Maler mit Ölfarben es eher kann, statt dem Reiben an Labels von Seiten der Behörden, Familie und vielen anderen “Expert:innen”
Kurzbeschreibung Deines eingereichten Projekts:
Mein ursprünglich eingereichtes Projekt fokussierte sich auf das ”Sich Abheben", welches ich als eine Suche nach einer Formensprache, die es den mit traditionellen Handspinn- und Handwebtechniken gefertigten Werken ermöglicht, sich von der Wand zu lösen. Das Einrahmen der Gewebe in klassische Objektrahmen schränkt mich ein und erzeugt ein Gefühl der Unbehaglichkeit. Seit geraumer Zeit beschäftigt mich die Suche nach einem passenden Objektträger- oder Installationsformat, welches meine Werke von der Wand abhebt und ihnen eine freie und schwebende Idee verleiht. Ein frei im Raum schwebendes textiles Objekt spielt mit der Möglichkeit, berührt werden zu können, während ein Rahmen mit Glasfront dem:der Betrachter:in signalisiert: Halt, bis hierhin und nicht weiter. Doch das ist nicht der Anspruch an mein Werk. Die Erfahrungen aus vergangenen Ausstellungen haben gezeigt, dass das Bedürfnis nach haptischer Erfahrung groß ist und im Verborgenen geschieht, wenn ich nicht hinschaue. Diese verborgenen Handlungen des Ausstellungspublikums sind mein Antrieb und bringen mich an die Grenze des Begriffs: Ist die:der Betracher:in im Kunstkontext nur eine Person gewünscht, die mit dem Sehsinn Kunstwerke zu erfahren hat? Die Projektidee "Sich Abheben" spielt auch mit der persönlichen inneren Zerrissenheit, in die Kategorien Kunst oder Design / Kunsthandwerk eingeordnet zu werden, eine Einordnung, die scheinbar der Außenwelt und mir selbst einen vermeintlich sicheren Rahmen gibt.
Was oder wen siehst Du aktuell nicht in „der Kunstszene“ bzw. was fehlt Dir?
Durch die Pandemiezeit und den entstandenen Mangel an analogen Kunstmomenten und den plötzlichen Overload von Kunst und künstlichen Persönlichkeiten auf Instagram bzw. im digitalen Parallelleben fühle ich mich verloren und zur Zeit auch orientierungslos. Mir fehlen analoge / haptische Anknüpfungspunkte in der Metropole Hamburg, die eine einladende Haltung ausstrahlen und niedrigschwelligere Angebote zum Mitmachen und Mitreden gegenüber Menschen, die z.B. nicht an der HFBK studiert haben. Kunst auf Augenhöhe für junges Publikum.
Kannst Du von Deiner Kunst leben?
Nein.
Wo können wir Deine Kunst „in echt“ sehen?
Bei mir im Atelier auf Anfrage, welches in meinem privaten Raum ist. Es fehlt mir an geeigneten Möglichkeiten, meinem Werk (Entstehungsprozess, Gedankenaustausch über Diskurse, materialisierte Arbeiten) die verdiente Sichtbarkeit zu gönnen. Bezahlbare Arbeitsräume mit der Möglichkeit, selbständig und selbstinitiiert Räume für die Öffentlichkeit zu gestalten sind rar in Hamburg.
Deine Homepage
https://nicole-kiersz.com/
Deine Social Media-Kanäle:
https://www.instagram.com/nicolemagdalena_kiersz/
Bildunterschriften
Hiermit sichere ich zu, dass ich im Besitz der übertragbaren Nutzungsrechte an sämtlichen Texten und Abbildungen bin und räume das kurativ an diesen Daten das ausschließliche, übertragbare, örtlich und inhaltlich unbeschränkte Nutzungsrecht zum Zweck der Durchführung des erweiterten Ausstellungsformats von „Imagine Transparency“ ein.